Kreuz

Im gleißenden Spätnachmittagslicht steht es da.
Schwarz hebt es sich vom blitzenden Hintergrund ab
In seiner Nähe spürt man den Totenschacht, das Grab
Es weist in die tiefsten Abgründe der Menschheit hinab.
Kreuz, das Symbol für Grausamkeit währt immerdar!

Der große König der Welt opfert sich,
blutverschmiert und geschunden ist sein Gesicht.
Wie ein wehrloses Tier zur Richtstätte geführt,
keiner hat zur Hilfe die Finger gerührt.

Nein, verraten haben sie ihn, verkauft,
haben um seine Kleider gewürfelt, gerauft,
und haben sensationsgeil ihn foltern lassen.
Die ihn liebten, begannen ihn obendrein zu hassen.

Die sich für die Ihrigen opfern, die gibt es tausendfach.
Sie fallen ausgelöscht in die Vergessenheit in der Geschichte Totenschacht.
Und oh Entsetzen, oh tiefstes Leid, manche konnten sogar die Ihren nicht retten,
mussten sterbend mit letztem Augenlicht ihren Tod erblicken.

Auch sie sollen nicht vergessen sein!
Auch sie gehören zu des Erlösers Reihen!

Ungeheuerlicher als das Tier ist die menschliche Kreatur,
sie verspielte ihre Gottebenbildlichkeit krass und pur!
Ist er, um diese wieder herzustellen, in das Leid gegangen?
Hat er, der große Liebende, deswegen am Kreuz gehangen?

Mancher fragt sich, mit schweren Gedanken bewehrt,
- sind wir dieses Opfer wert?

Oberrieden 1997

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